Freya Markus genannt Tivi
Wie alles begann
Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, als die Lebensumstände schlecht und Kummer und Sorgen der Menschen noch allgegenwärtig waren, zog Freya Markus aus, um Jungen und Alten das Lachen wiederzugeben.
Sie holte Kinder von den Straßen zusammen und ging mit ihnen von Dorf zu Dorf, um auf Wiesen, in Scheunen und überall, wo sich Menschen versammelten, kleine Märchenspiele aufzuführen. Mit dem Wenigen, das man besaß sowie viel Fantasie und Einfallsreichtum wurden Kostüme genäht und kleine Kulissen in Eigenarbeit gebaut, die mit einem Handwagen von Ort zu Ort transportiert wurden. Wo auch immer die kleinen Laienspielschar auftrat, strömten die Leute herbei, um sich an dem Spiel, Gesang und Tanz der Kinder zu erfreuen.
Anfang der 80er erobert ein Märchenspiel Hameln
Mehrmals im Jahr fuhr die Gruppe, welche mittlerweile oft aus nicht weniger als 150 Kindern bestand, für intensive Proben in die Jugendherbergen in Hamelns Umgebungen. Diese Fahrten gehörten für viele Kinder zu den Höhepunkten des Jahres, denn neben den anstrengenden Proben wurde auch ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm geboten, welches die Kinder mit ihren Ideen und Vorschlägen selbst mitgestalteten.
Wieder zu Hause angekommen wurde selbstverständlich fleißig weitergeprobt. Mit Humor und Einfühlvermögen gelang es Freya Markus, den kleinen Akteuren Selbstvertrauen zu vermitteln und sie für jede noch so kleine Rolle zu begeistern. Denn darauf baute ein Prinzip, das noch heute bei "Tivis Märchenspiel" gilt: Nicht die einzelne Person und ihr schauspielerisches Können zählt, sondern das große Ganze, ein märchenhaftes Schauspiel, das die Gruppe mit viel Engagement erarbeitet. Jeder trägt seinen Teil zum Gelingen bei.
Das dieses Konzept ankam, zeigten die alljährlich restlos ausverkaufte Vorstellungen. Im Dezember 1995 feierte das Märchenspiel 50-jähriges Jubiläum.
"Tivi" zeigte Kindern den Spaß an der Gemeinschaft
Die Kinder lernten nicht nur das Theaterspielen, nicht der eigentliche Auftritt auf der Bühne stand im Vordergrund. Er bildete lediglich den krönenden Abschluss der vorangegangenen Freuden und Anstrengungen. Freya Markus zeigte den Kindern, dass es Dinge gibt, die viel mehr Spaß machen als z.B. fern zu sehen: Selbst aktiv zu sein und in der Gemeinschaft mit Größeren und Kleineren zu spielen, zu singen und zu lachen.
Sie brachte den Kindern bei, Verantwortung für anderer zu tragen. Die Älteren kümmerten sich um die Jüngeren und die Kleinen lernten von den Großen.
Damit schenkte Tivi "ihren Kindern" etwas wunderbares: Gemeinschaft und Freunde am Engagement für andere.
Freya´s letzter Vorhang
Im Dezember 1999 fiel für Freya Markus der letzte Vorhang. Am 30. Januar 2000 verstarb die damals 87-jährige. Der Tod der von allen geliebten Spielleiterin warf eine große Frage auf: Was sollte nun aus der Gruppe und damit aus dem Märchenspiel werden?
Ein Jahr zuvor war der Verein "Tivis Märchenspiel e.V." von einigen Eltern und ehemaligen Mitspielern gegründet worden, um Freya Markus bei der Organisation der Aufführungen unter die Arme greifen zu können. Der Vereinsvorstand und die Jugendlichen kamen zu dem Schluss, dass dieses nicht das Ende des Märchenspiels sein durfte. Doch wer sollte die Gruppe nun leiten? "Tivi kann niemand ersetzen", war man sich einig und so setzte sich eine Gruppe Jugendlicher zusammen und schrieb zum ersten Mal ein neues Stück: "Dornröschen". Unter der Regie der Jugendlichen wurde das Märchen 2001 in der Tradition von Freya Markus im Hamelner Theater uraufgeführt. Der Erfolg gab allen Beteiligten recht: Es war die richtige Entscheidung gewesen, weiterzumachen.
"Tivis Märchenspiel" zieht dreimal um
Neuer Treffpunkt der Gruppe wurde der HefeHof. Von 2002 bis 2005 fand der Verein in Helga Koppelberg eine Spielleiterin, die die Verantwortung für die Inszenierung trug und von den Jugendlichen bei ihrer Aufgabe unterstütz wurde. Weitere Stücke wurden für die Bühne vorbereitet und aufgeführt. Von 2005 bis 2015 übernahm Simone Berg die Spielleiterung des Vereins. Durch ihre theaterpädagogische Ausbildung und ihre Erfahrungen an der Freilichtbühne Osterwald brachte sie neue Impulse der Theaterarbeit in den Verein.
Mittlerweile leiten Steffi de Boer und Désirée Lenz als Spielleitungsteam das traditionelle Märchenspiel. Alle Inszenierungen -auch die neuen Stücke- orientieren sich weiterhin am traditionellen Leitbild, das Freya Markus vorgegeben hat. Mit viel Liebe zum Detail werden Kulissen, Requisiten und Kostüme in Eigenregie von fleißigen Helfern angefertigt.
Nach einem turbulenten Jahr mit zwei Umzügen fand Tivis Märchenspiel eine neue Bleibe in den Räumlichkeiten der Jugendwerkstatt Hameln. Der große Probenraum wurde extra mit einer kleinen Bühne ausgestattet, die Kostüm- und Requisitenkammer erhielt ein maßangefertigtes Hochregal für die unzähligen Kartons. Leider musste der Verein aufgrund der dramatischen finanziellen Situation der Jugendwerktstatt nach 1 1/2 Jahren wieder ausziehen...
Das Hamelner Sana-Klinikum bot seine Hilfe an. In dem alten Krankenhaus in der Wilhelmstraße durften die Märchenbegeisterten Mitglieder einen ganzen eigenen Trakt beziehen. In den Kellerräumen dürfen wir nun proben, planen, singen, tanzen, Requisiten und Kostüme lagern und uns einfach zu Hause fühlen.
Alles ganz im Zeichen unser Freya Markus...